»Ich habe schimpfen gelernt«

Susanne Lange wurde 2003 für ihre Arbeit an Cervantes’ Don Quijote mit dem Zuger Übersetzerstipendium ausgezeichnet. Jetzt hat sie den Roman Gringo Champ der jungen mexikanischen Autorin Aura Xilonen ins Deutsche übertragen. Röbi Koller sprach mit Susanne Lange anlässlich ihres Auftritts im Zürcher Literaturhaus.
 

Frau Lange, Don Quijote wurde vor rund 400 Jahren geschrieben, Gringo Champ ist eine Geschichte des 21. Jahrhunderts. Die Stoffe, mit denen Sie arbeiten, sind Welten voneinander entfernt.

Es macht den Eindruck, als hätten die beiden Romane nichts miteinander zu tun. Was man aber in beiden findet, ist diese barocke Sprachlust. Bei Don Quijote konnte ich auf die deutschen Barockschriftsteller zurückgreifen, die damals, als sich die deutsche Sprache noch finden musste, sehr viele Wortschöpfungen ausprobiert haben. Davon haben längst nicht alle überlebt, aber sie waren sehr anschaulich. Das war für mich eine Gelegenheit, in den Brunnen der Sprache zu tauchen und gewisse dieser Begriffe wieder hervorzuholen. Der Trübetümpel zum Beispiel, für einen melancholischen Menschen, das versteht man sofort, auch wenn es kein gebräuchlicher Ausdruck mehr ist.

Diese Erfindungslust musste ich auch bei Aura Xilonen einsetzen, um die eigene Sprache der Hauptfigur zu erfinden. Das ist mir generell wichtig: dass man sich auf die Tradition der eigenen Sprache konzentriert und schaut, was für Wortmaterial vorhanden ist. Die Vielfalt der Sprache hervorzukehren – das verbindet die beiden Werke.

Wenn ich Ihnen und Aura Xilonen während des Auftritts im Zürcher Literaturhaus zugehört habe, hatte ich den Eindruck, die Arbeit hätte Ihnen teilweise auch Spass gemacht. Richtig?

Also am Anfang hatte es eher etwas von Verzweiflung! Aber je mehr man reinkam und je besser man den Ton fand, desto amüsanter wurde es, sich Sachen auszudenken. Die meisten Ideen kamen mir ja nachts …

… und Sie haben sich offenbar auch ausgetauscht mit der Autorin.

Ja, ich habe ihr sehr viele Fragen gestellt, die sie dann zögerlich beantwortet hat – manchmal auch nicht. Aber ich habe ein Gefühl dafür entwickelt, wie sie erfindet. Und das war das Wichtigste: Sobald ich wusste, wie sie es macht, konnte ich selber in diese Rolle schlüpfen und drauflos erfinden. In diesem Fall war das die einzige Herausforderung. Wörtlich zu übersetzen hätte gar keinen Sinn gehabt. Deshalb waren beide Arbeiten sehr interessant. Im Übrigen gab es noch eine Parallele: Ich habe schimpfen gelernt – sowohl mit Don Quijote wie auch mit Aura Xilonens Figuren!

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Zuger Übersetzer-Stipendium 2025 an Karl-Ludwig Wetzig
Zuger Anerkennungspreis an Christophe Fricker

Das fünfzehnte Zuger Übersetzer-Stipendium in der Höhe von SFr. 50'000.- geht an Karl-Ludwig Wetzig (Göttingen) für die Übersetzung des Romans Sechzig Kilo Sonntage (Sextíu kílo af sunnudögum) von Hallgrímur Helgason. Das Buch wird im Tropen Verlag (Berlin) erscheinen.

Der Zuger Anerkennungspreis in der Höhe von SFr. 15'000.- geht an Christophe Fricker (Bristol). Er übersetzt den Roman The Golden Gate von Vikram Seth.

Die Preisverleihung findet am 7. September 2025 in Zug statt.